(stm | Kommentar im unteren Bereich des Beitrages)
Ein schockierender Fall wurde vor dem Schweriner Landgericht verhandelt. Der Angeklagte, ein 44-jähriger Mann, wurde des Totschlags minderschweren Falls für schuldig befunden und zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Die Tat ereignete sich im Dezember letzten Jahres in der gemeinsamen Wohnung des Paares in Schwerin, nachdem sie gemeinsam den Rostocker Weihnachtsmarkt besucht hatten, wie unter anderem der NDR berichtet.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten wegen Totschlags gefordert, während die Verteidigung eine mildere Strafe von dreieinhalb Jahren Haft beantragte, da sie einen vermindert schweren Fall des Totschlags vorbrachte. Der Angeklagte behauptete, dass er im Affekt gehandelt habe, ausgelöst durch heftige Beleidigungen seiner Freundin, die ihn in äußerste Wut versetzten.
Das Gericht begründete die Verurteilung wegen Totschlags minderschweren Falls mit der toxischen Beziehung zwischen dem Angeklagten und dem Opfer. Laut Gerichtsbeschluss hatte das Opfer ihren Freund regelmäßig provoziert und genervt. Der tödlichen Tat war ein gemeinsamer Besuch auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt vorausgegangen, bei dem das Opfer ihren Freund zurückgelassen hatte.
Während des Prozessauftakts erklärte der Angeklagte durch seinen Anwalt, dass er zum Tatzeitpunkt stark betrunken gewesen sei. Er sei allein mit dem Zug nach Hause nach Schwerin gefahren, während seine Verlobte plötzlich auf dem Weihnachtsmarkt verschwunden gewesen sei. In der Wohnung sei es zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung gekommen, bei der der Angeklagte angab, dass er von seiner Verlobten mit Beschimpfungen und Ohrfeigen konfrontiert wurde. Schließlich griffen beide nach einem Messer, wobei er das schnellere Handeln zeigte und auf sie einstach. Er könne sich an weitere Details nicht erinnern. Das Opfer erlitt tragischerweise 53 Messerstiche, die zu ihrem Tod führten.
KOMMENTAR/ MEINUNG:
Es ist schockierend zu hören, dass es in Schwerin zu einem Femizid gekommen ist. Ja, für mich stellt diese „Beziehungstat“, wie sie von regionalen und überregionalen Medien, gar vom Gericht genannt wird, ein Femizid da. Der Täter wurde des Totschlags minderschweren Falls schuldig gesprochen und zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt.
Das Gericht stellt eine „toxische“ Beziehung als Grundlage für die Tat fest. Das ein Gericht dem Opfer indirekt eine Mitverantwortung unterstellt, weil es eben in dieser toxischen Beziehung war, grenzt an Täter Opfer Umkehr. Es hat den bitteren Beigeschmack von „selbst schuld, weil sie sich nicht aus der toxische Beziehung befreit hat“.
War es ein Femizid? Aus feministischer Sicht, ja. Der Begriff “Femizid” bezieht sich auf den Mord an einer Frau, bei dem das Mordmotiv darin besteht, dass das Opfer eine Frau ist. Der Begriff ist ein Werkzeug und eine ursprünglich feministische Ansage gegen Begriffe wie Beziehungstat oder Familiendrama, die oft angewendet werden, wenn ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin tötet.
Begriffe wie „Beziehungstat“, „Partnerschaftsgewalt“ verlagern die Schuld des Täters auf die Beziehung und können verharmlosend wirken. In solchen Fällen macht das Wording den Unterschied, ob man “Beziehungstat” sagt – oder Femizid.
Femizid bedeutet, dass eine Frau oder ein Mädchen aufgrund von Vorstellungen geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit getötet wird, insbesondere weil sie sexistischen Rollen- und Verhaltenserwartungen nicht entspricht. Dies, so scheint es, war hier der Fall. Das dies in den Medien wie NDR, SVZ, Ostseezeitung weiterhin als Beziehungstat bezeichnet wird, zeigt, wie viel Aufklärungsarbeit hier noch zu leisten ist.
Die Internetseite https://www.onebillionrising.de/femizid-opfer-meldungen-2023/ listet regelmäßig Femizide in Deutschland auf. Auch die Tat aus Schwerin ist dabei.
2015 waren es 135, 2016 – 155, 2017 – 147, 2018 – 122, 2019 – 117, 2020 – 139, 2021 – 113 In diesem Jahr sind es schon 146 Täter.
https://www.goethe.de/ins/es/de/m/kul/sup/fem/22233935.html
Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking:
Hilfetelefon: https://www.onebillionrising.de/hilfetelefon-hilfe-in-krisen-situationen/

















