(stm)
Eine Anfrage in der Stadtvertretung Schwerin bringt ein sensibles Thema ans Licht: den Umgang der Stadtverwaltung mit Meldedaten. Die AfD-Fraktion wollte detailliert wissen, in welchem Umfang die Landeshauptstadt Daten aus dem Melderegister herausgibt und ob dadurch Einnahmen erzielt werden. Ein genauer Blick in die Antwort des Oberbürgermeisters zeigt, dass Melderegisterauskünfte tatsächlich für zahlreiche Zwecke erteilt und dafür Gebühren erhoben werden.
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Ein lukratives Geschäft? Einnahmen durch Melderegisterauskünfte im Detail
Laut der Antwort des Oberbürgermeisters Dr. Rico Badenschier generiert das Einwohnermeldeamt Schwerin durch die Erteilung von Melderegisterauskünften jährliche Einnahmen, die sich über die letzten Jahre im Bereich von mehreren Tausend Euro bewegten. Die detaillierte Übersicht zeigt die Anzahl der Anfragen und Einnahmen zwischen 2020 und 2024:
| Jahr | Einfache Auskünfte (§ 44 BMG) | Einnahmen (§ 44 BMG) | Erweiterte Auskünfte (§ 45 BMG) | Einnahmen (§ 45 BMG) |
|---|---|---|---|---|
| 2020 | 771 | 6.168 € | 45 | 450 € |
| 2021 | 1.639 | 13.112 € | 122 | 1.220 € |
| 2022 | 1.553 | 12.424 € | 166 | 1.660 € |
| 2023 | 1.384 | 11.072 € | 184 | 1.840 € |
| 2024* | 966 | 7.728 € | 164 | 1.640 € |
(*Daten bis Oktober 2024)
Hier wird deutlich, dass die Anzahl der Anfragen von Jahr zu Jahr schwankt, was möglicherweise durch unterschiedliche Nachfragen oder gezielte Wahlwerbung erklärt werden könnte. Die Gebührenhöhe ist dabei durch die Kostenverordnung des Innenministeriums geregelt und kann von der Stadt selbst nicht verändert werden.
Wer erhält die Daten?
Die Antwort des Oberbürgermeisters zeigt auf, dass Melderegisterauskünfte an verschiedene Arten von Anfragenden weitergegeben werden. Neben einzelnen Bürgern, die Auskünfte über Adressen erhalten, gibt es auch Anfragen von wissenschaftlichen Instituten oder politischen Parteien, die die Daten zu Wahlzwecken verwenden. Die folgenden Beispiele zeigen, wie viele Datensätze bei Gruppenauskünften an Institute in den letzten beiden Jahren übermittelt wurden:
| Anfragende Stelle | Verwendungszweck | Übermittelte Datensätze | Einnahmen |
|---|---|---|---|
| ifas | Lebenssituation von Kindern, Jugendlichen und Familien (2023) | 1.520 | 504 € |
| KANTAR | Zusammenleben in Deutschland (2023) | 175 | 235 € |
| ifas | Panelerhebung zur Gesellschaftlichen Zusammenarbeit (2024) | 200 | 240 € |
| ifas | Kinderbetreuung in Deutschland (2024) | 600 | 332 € |
| Mantle Germany | Studie zu den Folgen sexueller Gewalt (2024) | 250 | 250 € |
Diese Gruppenauskünfte werden in der Regel für wissenschaftliche Zwecke genutzt, und die Gebühren richten sich nach der Anzahl der übermittelten Datensätze.
Politische Nutzung der Meldedaten: Parteien als Abnehmer
Politische Parteien und Wählergruppen zählen ebenfalls zu den Empfängern von Meldedaten. Besonders im Vorfeld von Wahlen greifen Parteien auf die Möglichkeit zurück, um Erstwähler und andere Zielgruppen gezielt anzusprechen. Im Rahmen der Bundestagswahl 2021 wurden beispielsweise folgende Datensätze zur Verfügung gestellt:
| Wahl | Partei | Übermittelte Datensätze | Einnahmen |
|---|---|---|---|
| Bundestagswahl | Demokratie in Bewegung | 3.885 | 179,25 € |
| Bundestagswahl | Bündnis 90/Die Grünen | 3.585 | 179,25 € |
| Bundestagswahl | AfD M-V | 3.026 | 151,30 € |
| Bundestagswahl | Die Linke | 3.585 | 179,25 € |
| OB-Wahl 2023 | Bündnis 90/Die Grünen | 2.822 | 141,10 € |
| Kommunalwahl 2024 | SPD | 705 | 35,25 € |
Diese Datenweitergabe erfolgt auf der Grundlage des Bundesmeldegesetzes und darf nur zu Wahlzwecken genutzt werden. Die geringe Gebühr pro Datensatz deckt dabei eher die Verwaltungskosten als dass sie einen großen Profit ermöglicht.
Widerspruchsrecht: Bürger haben eine Wahl – aber wissen sie es?
Jeder Bürger hat das Recht, der Weitergabe seiner Meldedaten zu widersprechen. Nach § 36 des Bundesmeldegesetzes ist die Meldebehörde verpflichtet, Bürger bei der Anmeldung über dieses Widerspruchsrecht zu informieren. Darüber hinaus wird das Recht einmal jährlich auf der Website der Stadt öffentlich gemacht, zuletzt am 24. September 2024. Kritisch könnte jedoch angemerkt werden, dass dieser Hinweis online stattfindet und möglicherweise nicht alle Bürger erreicht, insbesondere ältere Menschen oder Bürger ohne regelmäßigen Internetzugang.
Hier kann Widerspruch gegen die Weitergabe der eigenen Daten gestellt werden:
Kommentar. Ein Thema für den politischen Diskurs
Der Verkauf und die Weitergabe von Meldedaten in Schwerin folgen rechtlich klaren Vorgaben und sind Gebührenpflichtig. Dennoch wirft die Praxis Fragen auf: Sollte der Verkauf von Meldedaten weiter erlaubt bleiben? In einer Zeit, in der Datenschutz zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist es denkbar, dass diese Frage die öffentliche Debatte weiter befeuert. Eine verstärkte Kommunikation über das Widerspruchsrecht – möglicherweise auch offline – könnte das Vertrauen in den verantwortungsvollen Umgang mit Meldedaten stärken. Zudem könnte die Diskussion über eine Anpassung der Gebühren sinnvoll sein, um unnötige Anfragen zu reduzieren und die finanzielle Belastung der Stadtverwaltung auszugleichen.
Hier kann die Anfregae, nebst Beantwortung des Oberbürgermeisters heruntergeladen und eingesehen werden:
















