(stm/Kommentar)

Anlässlich der bevorstehenden erneuten Beratung des Antrags zur Entwicklung eines Taubenschutzkonzepts in der Schweriner Stadtvertretung am 10. November 2026 verdient eine kürzlich in Kraft getretene Regelung der Stadt besondere Beachtung. Die neue Grünflächen- und Sondernutzungssatzung schreibt vor, dass pro Person und Tag nur noch 100 Gramm Futter für Tauben ausgebracht werden darf. Diese Mengenbeschränkung wirft aus tierschutzfachlicher Sicht erhebliche Probleme auf.

Eine erwachsene Stadttaube benötigt durchschnittlich etwa 30 bis 40 Gramm Futter pro Tag. Die erlaubte Gesamtmenge von 100 Gramm würde rein rechnerisch also nur für etwa zwei bis drei Tiere ausreichen. Da Tauben jedoch in Schwärmen leben, führt diese Obergrenze faktisch zu einer systematischen Unterversorgung der gesamten Population. Die Folge ist eine dauerhafte Mangelernährung.

Langfristig unterernährte Tiere sind geschwächt, anfälliger für Krankheiten und zeigen veränderte Verhaltensweisen. Es ist zu erwarten, dass der Futterstress zu vermehrter Aggression unter den Tauben führt, da die Konkurrenz um die knappe Ressource Futter zunimmt. Zudem wird das sogenannte Futterbetteln – also das direkte Anfliegen von Menschen – verstärkt auftreten, was wiederum Konflikte im öffentlichen Raum verschärfen kann. Anstatt das Problem zu lösen, verlagert und verschärft die Satzung also die bestehenden Konflikte.

Vor diesem Hintergrund gewinnt der ursprünglich eingebrachte Antrag, ein Taubenschutzkonzept nach dem Vorbild des Augsburger Modells zu entwickeln, eine neue, zwingende Logik. Dieses Konzept setzt nicht auf ungesteuerte Fütterung, sondern auf eine kontrollierte und tierschutzgerechte Versorgung in eigens eingerichteten Taubenschlägen. Dort können die Tiere artgerecht gefüttert werden, was das Leiden durch Hunger beendet und das aggressive Futterbetteln in der Innenstadt reduzieren würde. Gleichzeitig wird durch den Austausch von echten Eiern gegen Attrappen die Population langfristig und tierschutzkonform reguliert, ohne auf Vergrämung oder letale Methoden zurückzugreifen.

Die Ablehnung des Antrags durch den Hauptausschuss im Jahr 2025, die maßgeblich mit den Kosten und dem Fehlen eines Deckungskonzepts begründet wurde, ignoriert die nun durch die neue Satzung geschaffene Problemlage. Die Stadt hat sich mit der Futterbeschränkung selbst in eine Zwickmühle manövriert: Sie schreibt ein Handeln vor, das aus Tierschutzsicht bedenklich ist, und verweigert gleichzeitig die Entwicklung eines strukturierten Lösungsansatzes, der genau diese Tierschutzprobleme adressieren würde.

Ein Taubenschutzkonzept wäre daher so gesehen keine freiwillige Maßnahme mehr, sondern eine notwendige Ergänzung zur eigenen Satzung, um deren unbeabsichtigte negative Folgen für das Tierwohl abzufedern. Es stellt die einzig bekannte, praxiserprobte Methode dar, die sowohl den Tierschutz als auch die Stadthygiene und die Akzeptanz in der Bevölkerung gleichermaßen verbessert. Die erneute Befassung mit dem Antrag bietet die Chance, eine reine Verbotspolitik durch ein intelligentes, präventives Management zu ersetzen.

Die Stadtvertretung ist nun gefordert nach der umstrittenen 100 Gramm Regelung auch konsequent die weiteren Schritte zu gehen. Gut zu wissen: Der Vogelkot von hungernden Tauben ist ätzender und schädigt Stadteigentum stärker. Hungernde, und agressivere Tauben legen im übrigen genauso oft Eier wie gut ernährte Tauben. Der Unterschied – ein agressiveres Verhalten.


Hier können die entsprechenden Dokumente eingesehen und heruntergeladen werden:


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