(stm) Alles deutet darauf hin, dass Schwerin seinen Nahverkehr spürbar straffer drehen will – nicht aus Laune, sondern weil das neue Haushaltssicherungskonzept die NVS als Risikofaktor mit rund drei Millionen Euro pro Jahr beziffert. Begründung: die Fahrgastzahlen haben sich zwar vom Corona-Einbruch erholt, aber Energie-, Personal- und Sachkosten ziehen schneller an als die Erlöse. Zusätzlich belastet die Fortführung des Deutschlandtickets trotz Bundeskompensation das Ergebnis. Das Risiko summiere sich „aktuell auf ca. 3 Mio. Euro p. a.“, schreibt die Stadt.
Die entsprechenden Prüfaufträge hat die Stadtvertretung am vergangenen Montag beschlossen. Was genau geprüft werden soll:
5 % Tariferhöhung alle 2 Jahre und längere Wartezeiten?
Kern der Gegenstrategie sind höhere Preise und weniger Angebot. Die Verwaltung legt als Prüfauftrag fest, die Fahrpreise „alle zwei Jahre um 5 Prozent“ anzuheben. Die letzte Tarifanpassung datiert auf den 1. Juli 2023; angesichts der Kostenentwicklung bei Personal, Technik und Energie sei ein erneuter Schritt notwendig, heißt es. Parallel soll der heutige 15/30-Minuten-Takt auf einen 20/40-Minuten-Takt umgestellt werden – eine klare Ausdünnung, die NVS und Fachdienst Verkehrsmanagement „zeitlich und finanziell zu untersetzen“ haben. Beides steht explizit im HSK.
Steigt Schwerin aus dem Deutschlandtiket aus?
Hinzu kommt ein drittes, politisch heikles Thema: Schwerin prüft, ob die NVS aus dem Deutschlandticket aussteigt – ausdrücklich in Analogie zum Prüfvorhaben im Landkreis Ludwigslust-Parchim. Ziel wäre eine Entlastung des NVS-Wirtschaftsplans und am Ende ein geringerer Zuschussbedarf aus dem Stadthaushalt. Die Option steht schwarz auf weiß im Maßnahmenkatalog.
Stadtwerke sollen Minus ausgleichen.
Finanztechnisch denkt die Stadt auch über einen Querverbund nach: Der Verlustausgleich der NVS könnte – sofern steuerlich zulässig – über die Stadtwerke laufen. Damit würden Defizite des Verkehrsbereichs mit Gewinnen aus dem Energie-/Versorgungsbereich verrechnet. Das HSK beauftragt ausdrücklich die Prüfung dieser Konstruktion.
Das alles passiert nicht im luftleeren Raum. Schwerin rechnet bis 2033 mit einem aufgelaufenen Finanzdefizit von rund 308 Millionen Euro; schon 2026 steht im Finanzhaushalt ein Minus von 33 Millionen Euro. Die Kämmerei schreibt ungewöhnlich offen, das HSK zeige „keine Perspektive“ für einen künftigen, auch nur jahresbezogenen Haushaltsausgleich. In diesem Klima geraten freiwillige Standards und teure Pflichtaufgaben gleichermaßen unter Druck – der ÖPNV bildet da keine Ausnahme.
Streichung des kostenfreien NVS für Schüler droht
Neben Preis und Takt rüttelt das Papier auch am politischen Versprechen des kostenlosen Schülernahverkehrs: Die Beschlüsse für die Klassenstufen 5 bis 13 sollen „aufgrund der Haushaltslage“ auf den Prüfstand. Eine Rücknahme steht ausdrücklich als Option im Katalog. Damit würde eine der sichtbarsten sozialpolitischen Leistungen Schwerins erneut zur Verhandlungsmasse.
Unterm Strich läuft die Linie der Verwaltung auf einen „Würgegriff“ beim Nahverkehr hinaus: weniger Angebot, höhere Tickets, mögliches Ende des Deutschlandtickets in Schwerin und eine Verschiebung der Defizite in einen steuerlichen Querverbund – alles, um den Zuschuss der Stadt zu drücken. Ob das politisch und rechtlich trägt, wird nun nach der Zustimmung der Stadtvertretung zum HSK am vergangenen Montag, ausführlich geprüft werden.



















