(stm)
Der Behindertenbeirat der Landeshauptstadt Schwerin hat sich Anfang Juni mit einer Anfrage an den Fachdienst Jugend gewandt. Thema war der seit Januar 2024 gesetzlich vorgeschriebene Einsatz sogenannter Verfahrenslotsen nach § 10b SGB VIII. Diese sollen insbesondere Familien mit behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindern bei Anträgen und der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützen. Die Antwort des Oberbürgermeisters zeigt: In Schwerin gibt es diese Unterstützung bisher nicht.
Nach dem Sozialgesetzbuch haben betroffene Familien Anspruch auf eine unabhängige Begleitung durch einen Verfahrenslotsen. Der Beirat wollte daher wissen, ob in der Landeshauptstadt entsprechende Stellen geschaffen wurden und wie diese bisher genutzt werden. Die ernüchternde Antwort: „Bislang wurden von Seiten der LHS im Fachdienst Jugend keine Stellen für Verfahrenslotsen geschaffen“, heißt es in dem Schreiben von Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier.
Als Begründung verweist die Stadt auf die erheblichen finanziellen Mehrbelastungen durch die Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJSG) von 2021, die den ursprünglich vom Bund kalkulierten Aufwand deutlich übersteigen. Daher habe die Stadt eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Bis zu einem Urteil sei die Einrichtung von Verfahrenslotsen nicht vorgesehen.
Vorbereitungen auf die Inklusion ab 2028 laufen dennoch
Auch wenn die verpflichtenden Verfahrenslotsen noch nicht kommen, bereitet sich der Fachdienst Jugend nach eigenen Angaben auf die ab 2028 geplante Zusammenführung der Eingliederungshilfeleistungen vor. Dazu wurde mit dem Fachdienst Soziales ein gemeinsamer Verfahrensstandard entwickelt, und es finden regelmäßige fachübergreifende Gespräche zur Abstimmung von Einzelfällen statt.
Ziel sei es, die Inklusion als selbstverständlichen Arbeitsauftrag zu begreifen. Der Fachdienst hebt hervor, dass künftig stärker systemische Ansätze verfolgt werden sollen, die das soziale Umfeld und die individuellen Lebenslagen der jungen Menschen in den Blick nehmen. Barrieren sollen abgebaut und inklusive, bedarfsgerechte Angebote geschaffen werden.
Dialog mit Leistungserbringern läuft
In die organisatorischen Vorbereitungen sind nach Angaben der Stadt auch die freien Träger der Jugendhilfe eingebunden. Im Rahmen der Leistungs- und Qualitätsverhandlungen werden individuelle Bedarfe junger Menschen mit Behinderungen berücksichtigt und gemeinsam mit den Trägern passende Konzepte entwickelt.
Behindertenbeirat zeigt Gesprächsbedarf
Die Vorsitzende des Behindertenbeirats, Angelika Stoof, hatte mit ihrer Anfrage den Handlungsdruck in dieser Frage deutlich gemacht. Schwerin wird sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie die gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrenslotsen in Zukunft doch noch umgesetzt werden – spätestens wenn das Bundesverfassungsgericht entschieden hat.
Weitere Informationen zum gesetzlichen Anspruch auf Verfahrenslotsen finden sich unter: § 10b SGB VIII
Hier kann die Anfrage, nebst Beantwortung des Oberbürgermeisters eingesehen und heruntergeladen werden:


















