(EIN KOMMENTAR VON KARSTEN JAGAU)
Am 3. Oktober wird, wie jedes Jahr, an die sogenannte Wiedervereinigung Deutschlands gedacht. Die deutsche Geschichte hat verschiedene „Wieder“ Vereinigungen hinter sich.
Sei es 1871, als aus verschiedenen Kleinstaaten das Deutsche Reich entstand. Als quasi „Tag der Vereinigung“ kristallisierte sich der 2. September als „Sedantag“ heraus, der Tag, an dem die französische Armee kapitulierte. Deutsche Einheit durch einen Krieg.
Am 31. Juli 1919 wurde die Weimarer Verfassung von der Nationalversammlung beschlossen. Zum Gedenken an die „Geburtsstunde der Demokratie“ wurde in der Weimarer Republik der 11. August bestimmt, weil an diesem Tag Reichspräsident Friedrich Ebert die Verfassung unterzeichnete. Die Weimarer Republik war das Ergebnis des Ersten Weltkriegs.
Im Dritten Reich wurde nicht der Tag der Besetzung Österreichs als Tag der Deutschen Einheit festgelegt, sondern der 1. Mai. Durch den von Nazi-Deutschland entfesselten imperialistischen Angriffskrieg wurde die Deutsche Einheit zerstört und in vier Teile zerteilt. Die Deutsche Einheit wurde durch einen von Deutschland entfesselten Angriffskrieg zerstört.
Drei der vier Teilstücke Deutschlands schlossen sich als Folge des Zweiten Weltkriegs zusammen. Die Bundesrepublik Deutschland wurde am 23. Mai 1949 gegründet und rief 1953 den immer noch gültigen 17. Juni als Feiertag mit dem Namen „Tag der deutschen Einheit“ aus. Dieser Tag erinnerte daran, dass es in der DDR einen Aufstand gab, also „Einheit“, weil die Menschen in der DDR auf der Straße waren und die Menschen in der BRD fernsahen.
In der DDR war der Tag der Staatsgründung, der 7. Oktober 1949, der Tag der Republik.
Wie in einer Wiederholung von 1953 waren die Menschen in der DDR wieder auf der Straße, während die Menschen in der BRD fernsahen. Die DDR implodierte aufgrund des sozialen Widerstands der Bevölkerung, und das Staatssystem wurde aufgelöst.
Der Protest in der DDR wechselte von der Formulierung „Wir sind das Volk“ zu „Wir sind ein Volk“. Ein kleiner Artikelwechsel mit immensen Auswirkungen. Daraus folgte dann die Vereinigung der beiden deutschen Staaten, und der 3. Oktober wurde als Feiertag eingeführt. Ein Feiertag, der keine große Bedeutung und Verankerung hat. Deshalb wird er immer nur in einem Bundesland „groß“ gefeiert, also alle 16 Jahre im selben Bundesland. Ein weiteres Indiz dafür, dass es ein ungeliebter Feiertag ist, wurde 2004 sichtbar. Die damalige Bundesregierung wollte den Feiertag immer nur an einem Sonntag und nicht mehr am 3. Oktober feiern. Durch den Wechsel von Wochentagen auf Sonntage würden es Steuermehreinnahmen von 500 Millionen Euro geben. Nationalfeiertag oder Geld, also eine Einheit, die sich finanziell rechnen muss.
Im Jahr nach der Vereinigung war ich bei Freunden in Israel. Hanna und Jürgen, Auschwitzüberlebende, die nach ihrer Befreiung nach Israel emigrierten, sich aber immer mit der Entwicklung in den deutschen Staaten beschäftigten. Sie stellten eine Frage, auf die es keine einfache Antwort gab und gibt. „Dass die Menschen in der DDR die SED-Herrschaft abgeschüttelt haben, ist sehr gut nachvollziehbar. Aber warum wollten sie Teil der Bundesrepublik werden?“
Gibt es dafür eine gute Antwort? Gibt es eine Antwort, die durch die soziale Revolution gewonnene Freiheit aufzugeben und in eine Struktur ohne runde Tische und Transparenz zu wechseln? War die West-Definition von Freiheit, die D-Mark und Reisefreiheit, so verlockend, dass die Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, finanzielle Unterschiede und Ausgrenzungen, Altersarmut und Rentenungerechtigkeit nicht wahrgenommen wurden? Oder war das Motiv der Handelnden nur der Wechsel von Aluminiumgeld zu Münzen, die die Taschen ausbeulen?
Das eindeutige Ergebnis der Einheit zeigt sich jedoch im sozialen Verhalten. Die Geburtsrate ist auf ein Drittel gesunken, ein Einbruch, der größer ist als der Einbruch durch den Zweiten Weltkrieg. Soziale Verunsicherung und Arbeitslosenquoten von nie gekanntem Ausmaß, Verunsicherung breiter Teile der Bevölkerung. Denn auf den Erfolg der friedlichen Revolution folgte keine Vereinigung auf Augenhöhe, sondern eine Beitrittserklärung der fünf neuen Länder mit einer anschließenden ökonomischen Annexion bzw. einer quasi feindlichen wirtschaftlichen Übernahme.
Wie ich 1990 in einem Leserbrief in der Regionalzeitung zur Einheitsfeier schrieb: „Man hätte die guten Dinge beider Staaten miteinander vermischen sollen. Rheuma ist eine Volkskrankheit in beiden deutschen Staaten. Auf 100.000 Einwohner gibt es in Westdeutschland 1 Rheumaarzt und in der DDR eine Rheumaklinik.“ Die jeweils besseren Strukturen des einen Staates auf den anderen Staat bzw. Teil des Landes zu übernehmen, hätte Sinn gemacht. Deshalb schrieb ich 1990: „Wir sollten den Tag als Tag der Buße und der Trauer um verpasste Gelegenheiten begehen.“ Das ist jetzt 33 Jahre her, eine Generation, ohne gleichen Lohn für gleiche Arbeit, ohne Rentenanpassung und noch so viele andere Dinge.
Meiner Einschätzung von damals kann ich leider auch nach 33 Jahren nichts hinzufügen. Schade!




















