(stm)

Die Stadtvertretung hat vor wenigen Wochen dem „Vulkanspielplatz“ den Zusatz „Platz der Kinderrechte“ gegeben. Neben der bloßen Umbenennung wurde auch beschlossen, dass die Stadtverwaltung bei Angelegenheiten die Kinder und Jugendliche betreffen, die UN Kinderrechtskonvention berücksichtigt werden soll. Was steckt hinter der UN Kinderrechtskonvention, und wie kann es gelingen diese auch in Schwerin umzusetzen?

Eine Möglichkeit wäre der Beitritt zu dem bundesweit agierenden Netzwerk „Kinderfreundliche Kommunen“. Der Verein Kinderfreundliche Kommunen wird getragen vom Deutschen Komitee für UNICEF und dem Deutschen Kinderhilfswerk e.V.

Dem Netzwerk gehören Städte wie Bonn, Potsdam, Köln, Regensburg oder Wittingen an. Schwerin bislang noch nicht. Wir sind auf die Arbeit des Vereines aufmerksam geworden und wollen ihn unseren Leserinnen und Lesern vorstellen.

http://www.schwerin.news hat sich an den Verein gewandt und ein Interview mit dem Geschäftsführer Herrn Dominik Bär geführt.


©Illing&Vossbeck.

DOMINIK BÄR ist Geschäftsführer des Vereins Kinderfreundliche Kommunen e. V.

Zuvor hat er bei der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte die Umsetzung der Kinderrechte in und durch Deutschland überwacht. Er war als Referent für Kinderpolitik des Deutschen Kinderhilfswerkes für die Politikberatung zuständig und hat in einem Kinder- und Jugendbüro die Umsetzung der Kinderrechte auf kommunaler Ebene vorangetrieben.


http://www.schwerin.news:

Herr Bär, was ist in der UN-Kinderrechtskonvention geregelt und warum ist die UN-Kinderrechtskonvention auch für die Schweriner Kinder und Jugendlichen wichtig und von Bedeutung?

Dominik Bär:

Mit der UN-Kinderrechtskonvention soll klargestellt werden, dass die allgemeinen Menschrechte auch für Kinder gelten, sie aber in einigen Punkten noch besondere Rechte benötigen. Daher sind hier Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte von Kindern festgeschrieben. Dieser Dreiklang ist das Besondere an der Konvention und verdeutlicht, dass es für erwachsene Verantwortungsträgern immer darum gehen muss, Kinder vor Gewalt, Missbrauch und/oder Krieg zu schützen, gleichzeitig aber auch das Recht eines jeden Kindes auf Bildung, eine umfassende Gesundheitsversorgung sowie das Recht auf Gehör und Berücksichtigung der Meinung von Kindern zu gewährleisten.

In diesem Auftrag gegenüber Kindern und ihren Menschenrechten steckt insbesondere für Kommunen eine große Herausforderung. Denn die Verwirklichung und Umsetzung von Kinderrechten findet in der Familie und vor der eigenen Haustür im direkten Lebensumfeld der Kinder – in den Kommunen, also auch in Schwerin – statt.

http://www.schwerin.news:

Was zeichnet eine Kinderfreundliche Kommune aus Ihrer Sicht aus? Was hat sich in anderen Kommunen bereits bewährt, wenn es um die Kinderechte und die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention geht?

Dominik Bär:

Wenn eine Kommune kinderfreundlich sein möchte, orientiert sie sich an den Interessen und Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen. Um diese in die Planung von Räumen einfließen zu lassen, müssen Kinder gefragt und ernst genommen werden. Dafür müssen sie jedoch frühzeitig und vor allem stetig eingebunden werden. Solche Beteiligungsprozesse müssen altersangemessen organisiert sein und an den Interessen von Kindern anknüpfen. Hier gibt es mittlerweile ausreichend Methoden und gute Erfahrungen. Kinderfreundlichkeit lässt sich also nur mit den Kindern erreichen.

Ein gutes Beispiel etwa ist Regensburg. Die Stadt hat einen systematischen Beteiligungsprozess implementiert. Eine Spielleitplanung schaut sich die gesamte Stadt durch die Augen von Kindern und Jugendlichen an: nimmt Spielplätze, Wegeverbindungen zwischen den Spielplätzen sowie inoffizielle Spiel- und Aufenthaltsorte von Kindern und Jugendlichen wie Brachen, Naturerfahrungsräume oder Bushaltestellen und Tankstellen unter die Lupe. Diese Orte bekannt zu machen und zu schauen, welche Bedürfnisse dahinterstecken, ist Aufgabe der Spielleitplanung. Regensburg hat darüber daraus hinaus Standards für eine familienfreundliche Stadt entwickelt. Die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder sind etwa in den Planungsunterlagen festgeschrieben, sodass bestimmte Flächen nicht mehr im Rahmen der Stadtentwicklung überplant werden.

Als weiteres Beispiel aus einer kleinen Gemeinde in Niedersachsen: In Algermissen wird gerade ein Dorf-Check durchgeführt. Die Kommune und die freien Träger sind mit den Kindern und Jugendlichen durch den Ort gelaufen und haben sich Problemstellen der Sicherheit und Angsträume zeigen lassen. Daraus haben sich konkrete Projekte ergeben, zum Beispiel hat die Kommune einen Bauwagen als Jugend-Treffpunkt angeschafft oder die Bahnunterführung neu gestalten lassen.

http://www.schwerin.news:

Braucht man Kinderrechtsbeauftrage in den Kommunen oder sind die Kinderrechte und deren Beachtung und Umsetzung eher eine Chefaufgabe des Oberbürgermeisters? Wie sieht es damit aus?

Dominik Bär:

Der Oberbürgermeister als Leiter der Verwaltung ist letztlich dafür verantwortlich, dass die Kinderrechte eingehalten und umgesetzt werden. Er hat in seinem Amt allerdings so viele Aufgaben, dass er nicht alles selbst machen kann. Deshalb gibt es in einer Verwaltung viele Mitarbeitende, die sich darum kümmern, dass alle Aufgaben umgesetzt werden. Es ist daher sinnvoll und notwendig, auch für die Einhaltung der Kinderrechte, speziell damit beauftragte Personen in der Verwaltung zu haben. Die Gleichstellung, die Wirtschaftsförderung oder die Aufstellung des Haushalts sind ja auch Aufgaben, für die am Ende der Leiter der Verwaltung zuständig ist, die ihm aber von Fachleuten abgenommen werden. Daher ist es notwendig, damit die Umsetzung der Kinderrechte gelingt, dafür auch jemanden zu beauftragten und mit einem entsprechenden Mandat auszustatten. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kommunale Kinderinteressenvertretungen hat extra dafür Qualitätsstandards entwickelt, die die Aufgaben von Kinder(rechts)beauftragten beschreiben und die sehr hilfreich sind. Darin wird auch deutlich, dass die Aufgaben deutlich über die der Jugendförderung hinaus gehen.

Kinder und ihre Eltern sollten immer wieder Nachfragenob die Interessen der Kinder bei Entscheidungen eingeflossen sind und so die Kinderrechte einfordern.

http://www.schwerin.news:

Papier und Gesetzestexte ist bekanntlich geduldig. Recht haben und Recht bekommen, das sind zwei Paar Schuhe. Was ist an kommunalen Strukturen für die Beachtung und Umsetzung der zu beachtenden Kinderrechte notwendig und welche Rolle und Möglichkeiten haben Kinder und deren Eltern überhaupt, um die Kinderrechte einzufordern und auch durchzusetzen?

Dominik Bär:

Kinderrechte sind ein ressortübergreifendes Thema und es braucht einen Kümmerer, damit das Thema nicht hinten runterfällt. Kinder können schließlich noch nicht wählen und sind auch nicht im Rat und den Ausschüssen vertreten, die über das Handeln der Verwaltung wachen. Daher sollte in der Verwaltung eine Koordinationsstelle geschaffen werden, mit entsprechenden Personalressourcen für eine Bestandserhebung und die Ausarbeitung und Umsetzung eines Aktionsplans. Das sind die Grundvoraussetzungen. Dann sollten die Kommunen auch ihr Know-how ausbauen, zum Beispiel um die Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung vom Bundesjugendministerium erfüllen zu können. Und es braucht einen politisch beschlossenen Aktionsplan zur Umsetzung der Kinderrechte, den die Kommunen beispielsweise auf Grundlage unserer Empfehlungen entwickeln.

Kinder und ihre Eltern sollten immer wieder Nachfragen, ob denn die Perspektive und die Interessen der Kinder bei Entscheidungen über Neuplanungen, bei der Haushaltsaufstellung oder auch der Verkehrsplanung eingeflossen sind und so die Kinderrechte einfordern. In Mecklenburg-Vorpommern kann dabei die Beteiligungswerkstatt des Landesjugendrings unterstützen.

http://www.schwerin.news:

Auf ein letztes Wort, Klimaschutz. Die Erderwärmung schreitet ungemindert fort. Ist ein effektiver und zielgerichteter Klimaschutz der Landeshauptstadt Schwerin auch ein Kinderrecht? Wenn man berücksichtigt, dass die Schweriner Kinder und Jugendlichen zukünftig besonders stark mit den negativen Effekten der Erderwärmung belastet werden.

Dominik Bär:

Gerade zu diesem Thema hat der Ausschuss für die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen, der über die Einhaltung der Kinderrechte in den einzelnen Ländern wacht, erst kürzlich einen Kommentar veröffentlicht. Darin macht er deutlich, dass es auch ökologische Kinderrechte gibt. Anknüpfungspunkt ist das Recht auf gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen ein. Dafür braucht es auch eine gesunde Umwelt.

Und auch das Bundesverfassungsgericht hat bereits vor zwei Jahren einen neuen Maßstab für Klima- und Grundrechtsschutz gesetzt, indem es feststellte, dass die heute unzureichende Klimaschutzpolitik Freiheits- und Grundrechte von morgen beeinträchtigt. Die verfassungsrechtlich notwendige Reduktion von Treibhausgasen dürfe nicht länger in die Zukunft und damit einseitig zu Lasten junger Generationen hinausgezögert werden. Kinder sind verletzlicher als Erwachsene, wenn sie Umweltbelastungen ausgesetzt sind. Darauf muss auch die Schweriner Stadtpolitik mehr als bisher reagieren.

http://www.schwerin.news:

Wir danken Ihnen sehr für das Interview und wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit. Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja bald in Schwerin, wenn Schwerin sich mit Ihrer Unterstützung auf den Weg zu einer „Kinderfreundlichen Kommune“ macht.


Wie das Programm des Vereines Kinderfreundliche Kommunen e.V. funktioniert:

Videoquellen: https://www.kinderfreundliche-kommunen.de/startseite/programm/unser-programm/

Mehr Informationen zu dem Verein Kinderfreundliche Kommune e.V. gibt es auf:

https://www.kinderfreundliche-kommunen.de/


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