(stm) Am 21. November 2024 findet in der Aula der VHS Schwerin, Puschkinstraße 13 (Kino unterm Dach) , eine besondere Filmvorführung statt: Der Dokumentarfilm Sold City von Leslie Franke und Herdolor Lorenz wird von 17 bis 20 Uhr gezeigt. Der Film beleuchtet die dringliche Thematik des Wohnraummangels und die problematische Entwicklung von Wohnen als Ware im kapitalistischen System.
Trailer „Sold City“
Wir haben die Regisseurin Leslie Franke, die am Donnerstag nach der Filmvorführung für ein Filmgespräch auch vor Ort sein wird, um ein kurzes Interview gebeten.
Schwerin.News: Ihr persönlicher Antrieb
Was hat Sie dazu inspiriert, den Film „Sold City“ zu machen? Gab es einen Auslöser, der dieses Projekt ins Leben gerufen hat?
Herdolor Lorenz und ich machen ja schon seit Jahren Filme zu Themen der Daseinsvorsorge. Wie z.B. zur Privatisierung der kommunalen Wasser- und Gesundheitsversorgung. Mit der neoliberalen Politik besonders ab der Jahrtausendwende befinden sich alle Güter der Daseinsvorsorge unter dem Damoklesschwert der Privatisierung.“Die Privaten machen alles besser“ hieß es. .In diesem Rahmen wurde auch die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft, viele Städte haben ihre Kommunalen Wohnungen verkauft, was sie heute bitter bereuen. D.h. Millionen gemeinnützige Wohnungen sind auf den freien Markt gekommen, in private Hände gelangt. Wie sich der Wohnungsmarkt durch diese Entwicklungen zuspitzt, konnten wir hautnah in unserem Hamburger Viertel St.Georg miterleben. Also dieses Thema brannte uns schon lange unter den Nägeln.
Schwerin.News: Die Botschaft des Films:
Was ist die zentrale Botschaft, die Sie mit „Sold City“ vermitteln möchten?
Wohnen gehört zu den grundlegenden Menschenrechten. Um uns gegen die oben skizzierte marktgerechte Wohnungspolitik wehren zu können, müssen wir uns aus der Zivilgesellschaft heraus organisieren. Dafür ist „Sold City“ gemacht. Die Filme sollen Hintergrundinformation und Wissen darüber vermitteln, wo die Knackpunkte der Wohnungspolitik liegen. Wichtig ist uns dabei zu zeigen, dass die Grundlage für eine gerechte und menschenwürdige Wohnungspolitik der Besitz des Bodens ist. Denn Boden ist wie Luft und Wasser nicht vermehrbar und seit der Finanzkrise 2008 hat sich das internationale Finanzkapital auf die Immobilien, den Boden gestürzt, weil das eine krisensichere Geldanlage ist. Und wenn was knapp ist, steigt der Preis. Nicht umsonst kann z.Zt. kaum noch gebaut werden. Deshalb darf Boden nicht privatisiert werden, sondern muss im Idealfall in gesellschaftlicher, gemeinwohlorientierter Hand bleiben und von hier verwaltet werden.
Schwerin.News: Wohnen als Menschenrecht
Ihr Film thematisiert die Privatisierung von Wohnraum. Was bedeutet diese Entwicklung für die Gesellschaft, und wie betrifft sie kleinere Städte wie Schwerin?
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum führt auch in kleineren Städten zur Verdrängung großer Bevölkerungsgruppen, Prekarisierung, Spaltung der Gesellschaft. Wenn Wohnungen modernisiert werden, steigen die Bestandsmieten. Oder wenn Wohnungen in Eigentum verwandelt werden sind sie für den Durchschnitt nicht mehr bezahlbar. Wo sollen die Leute dann hin? An die Randgebiete?
Eine andere Frage ist, in was für einer Stadt wollen wir wohnen? Hierzu möchte ich Anna Minton aus London zitieren: Es wird nicht nur zu einer Gentrifizierung der Städte kommen, sondern zu einer Sterilisierung. Was niemand bemerkt, aber was wir vielfach in London beobachtet haben ist damit einhergehend auch die Privatisierung der Straßen, Plätze, Parks in den neuen teuren Wohngebieten. Von Security überwacht darf hier nicht fotografiert werden, keine politischen Demonstrationen stattfinden. Also ein Demokratie freier Ort.
Schwerin.News: Reaktionen und Wirkung
Welche Rückmeldungen haben Sie bisher auf den Film erhalten? Gab es Reaktionen, die Sie besonders beeindruckt oder berührt haben?
Besonders erfreut sind wir, dass in Zeiten der Krise und der Kriege das Thema der immer weiter ansteigenden Mieten durch die vielen hundert Aufführungen von SOLD CITY als ein elementares Thema in den Mittelpunkt rückt. Natürlich drehen sich viele Gespräche darum, was können wir selbst tun? Am meisten freut uns, wenn die Menschen nach den Filmen das dringende Gefühl haben, aktiv werden zu müssen.
Schwerin.News: Herausforderungen bei der Produktion
Was war die größte Herausforderung bei der Entstehung des Films – sei es in der Recherche, im Dreh oder bei der Finanzierung?
Das Drehen und Schneiden des Films war für uns fast immer eine große Bereicherung – Wir haben sehr viel gelernt und tolle Menschen kennengelernt. Allerdings die Bürokratie der Filmförderung für kleine Selbstständige wie uns hatte sich seit Corona so sehr zu unserem Nachteil entwickelt, dass wir den Eindruck haben, man will verhindern, dass wir Kleine noch solche Filme machen können.
Schwerin.News: Lösungsansätze und Engagement
Ihr Film zeigt die Probleme des Wohnungsmarktes auf. Sehen Sie konkrete Ansätze, wie man diese Herausforderungen bewältigen könnte? Wie können Menschen vor Ort aktiv werden?
Wie schon eingangs gesagt, müssen wir uns mit der Bodenfrage beschäftigen. Und da ist Wien ein herausragendes Beispiel. Die Stadt hat einen Bodenfond angelegt, der immer wieder Land hinzugekauft. . Denn wer den Boden in der Hand hat, kann auch gute Stadtentwicklung betreiben, sagt uns der Bürgermeister Michael Ludwig.Wenn Investoren auf einem bestimmten Grundstück bauen wollen, sind sie verpflichtet, 2/3 davon als geförderte Wohnungen zu errichten und das zu einem gedeckelten Mietpreis und ohne jede zeitliche Begrenzung des Mietverhältnisses. Zugang zu diesen Wohnungen haben zwei Drittel der Wiener Bevölkerung, weil die Einkommensgrenze relativ hoch angesetzt ist. Es entstehen also keine sozialen Ghettos
Heute habe ich in den Nachrichten gehört, dass Spanien sich die Wiener Wohnungspolitik als Vorbild nehmen möchte. D.h. also es gibt auch in der Politik Menschen, die umdenken können……wenn sie wollen. Und damit sie wollen, müssen wir aus der Zivilgesellschaft Druck machen, uns vernetzen. Nicht jede Stadt für sich allein, sondern zusammen. Schauen, von wem können wir lernen. Das Rad muss nicht immer neu erfunden werden.
Z.B. das Volksbegehren „Deutsche Wohnen&Co. Enteignen“ in Berlin hat 2021 ein Volksbegehren gewonnen zur Vergesellschaftung der großen Wohnungskonzerne wie Vonovia, Akelius, Heimstaden Ado Property etc. – diese Geschichte erzählen wir aber im 2.Teil „Enteignen statt Profite mit unserer Miete“
Denn etwas ändern wird sich nur, wenn wir selbst aktiv werden. Unser Appell ist: Bleibt nicht allein, lasst euch nicht gegeneinander ausdifferenzieren. Sondern kontaktiert eure Nachbar*innen, teilt die Probleme in den Häusern miteinander. Und das möglichst schon, bevor es zu spät ist, d.h. das Haus modernisiert und/oder verkauft wird. Schließt euch schon bestehenden Initiativen an. Es gibt Netzwerke wie „Recht auf Stadt“ etc. , wo Vertreter*nnen, die schon erfahren sind im Mietenkampf auch eingeladen werden können.
Schwerin.News: Erwartungen an Schwerin
Was erhoffen Sie sich von der Vorführung und der anschließenden Diskussion in Schwerin?
Unsere Arbeit sehen wir grundsätzlich als Möglichkeit, als Initiierung, miteinander ins Gespräch zu kommen. Dafür versuchen wir mit unseren Filmen die jeweilen Hintergrundinformationen zu geben. Sowohl auf der sachlichen, aber auch auf der emotionalen Ebene. Wir haben die Protagonisten im ersten Teil über drei Jahre begleitet und durften ihnen dabei sehr nah kommen. Und das unterscheidet Film von einem Vortrag zum Thema. Durch emotionales Miterleben kann ein besseres Verständnis der Gesamtsituation entstehen. Und wie ich hoffe, ein angeregtes Gespräch mit den Zuschauer*innen, aus dem heraus sich vielleicht sogar Aktionen entwickeln.
Schwerin.News: Ihr nächstes Projekt
Arbeiten Sie bereits an einem neuen Filmprojekt oder einer weiteren Initiative? Können Sie uns dazu etwas erzählen?
Wir müssen uns noch überlegen, ob wir unter den Bedingungen der Filmförderung noch Filme machen können.
Schwerin.News: Vielen Herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen. Wir wünschen Ihnen für die Filmvorführung am Donnerstag viel Erfolg.
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