(stm) Ist Schwerin wirklich Deutschlands Drogenhauptstadt? Eine Faktenprüfung.
Auf der vergangenen Sitzung der Stadtvertretung der Landeshauptstadt Schwerin bezeichnete der Stadtvertreter Jesus de Fernandez (AfD) Schwerin als „Drogenhauptstadt“. Seiner Aussage nach sei Schwerin laut einer vom NDR veröffentlichten Analyse Spitzenreiter im Drogenkonsum. Mit seinen Aussagen rechtfertigte er die beantragte Beendigung des Modellprojektes „Drug Checking“. Er erklärte:
„…weil eben auch bekannt ist, dass wir Drogenhauptstadt in Deutschland sind – Herr Badenschier hat die Augen gerollt und gesagt das ist nicht wahr – Der NDR hat das zweite Mal in Folge Abwassertests hier durchgeführt in Mecklenburg-Vorpommern. Wir sind hier Spitzenreiter im Drogenkonsum, warum das so ist, vielleicht wegen der hohen Behördendichte, vielleicht wegen den vielen Jugendlichen, die Drogenprobleme haben, ich weiß es nicht…“ weiter sagt er „auf jeden Fall ist es so…“ und man solle sich den Themen und Problemen auch mal annehmen und nicht sagen „es ist nicht so“.
Doch wie belastbar ist seine Behauptung? Ist sie denn so korrekt? Wir nehmen uns, wie vom AfD Stadtvertreter gewünscht dem Problem mal an.
Wir nehmen die an dieser Stelle die Abwassermessungen genauer unter die Lupe und stellen fest: Die Aussage von Fernandez ist schlicht unzutreffend und weitestgehend falsch. Hier der NDR-Bericht, auf den Sich der Politiker bezieht und die Ergebnisse zur Einordnung: https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Drogenrueckstaende-im-Abwasser-Konsum-in-MV-weiter-gestiegen,abwasser322.html
In dem original Audiomitschnitt der Sitzung sind seine Aussagen ab Minute 18:45 etwa anhörbar:
Link: NDR-Bericht zu den Abwasseranalysen in MV
Vergleich der Abwasserwerte – Wo steht Schwerin wirklich?
Ecstasy (MDMA)
Die Werte für Ecstasy sind allein in Mecklenburg-Vorpommern in folgenden Städten höher als in Schwerin:
- Neubrandenburg
- Rostock
Sollte der Vergleich auf andere Landeshauptstädte ausgeweitet werden, sind die Werte für Ecstasy in beispielsweise folgenden Landeshauptstädten ebenfalls höher als in Schwerin:
- Erfurt (Thüringen)
- Magdeburg (Sachsen-Anhalt)
- Berlin (Berlin)
Kokain
Die Werte für Kokain im Abwasser sind allein in Mecklenburg-Vorpommern in folgender Stadt höher als in Schwerin:
- Rostock
Im deutschlandweiten Vergleich liegt Schwerin bei Kokain-Rückständen weit unter den Spitzenreitern. beispielsweise gehören Hamburg, Frankfurt am Main und Berlin seit Jahren zu den Städten mit den höchsten Kokain-Rückständen im Abwasser.
Amphetamine (Speed)
Hier zeigen die Messungen, dass Neubrandenburg und Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern signifikant höhere Werte aufweisen als Schwerin. In bundesweiten Rankings der Landeshauptstädten stehen auch 2024 Städte wie Dresden, Leipzig oder Hannover in dieser Kategorie über Schwerin.
Methamphetamin (Crystal Meth)
Schwerin hat laut den Abwasseranalysen 2024 auffällig hohe Werte für Methamphetamin. Dennoch liegt die Stadt weit hinter den eigentlichen Crystal-Meth-Hochburgen Deutschlands:
Hier wäre als einziger Punkt der höchste Wert für Schwerin in Mecklenburg Vorpommern, aber Deutschlandweit im vergleich zu anderen Hauptstädten moderat niedrig.
- Dresden (2023: 267 mg/1.000 EW/Tag, mehr als 6-fach höher als Schwerins Maximalwert)
- Chemnitz (ebenfalls eine Hochburg laut Abwasseranalysen)
- Teile von Sachsen und Bayern zeigen konstant höhere Werte als Schwerin.
Betreffs der dennoch ungewöhnlich hohen Messerte für Schwerin, haben wir eine Anfrage an die TU Dresden gesendet, ob hier ggf ein messfehler vorliegt. Denn eine mehr als vervierfachung in nur einem Jahr wirkt ziemlich hoch. Sobald die TU antwortet werden wir dazu erneut berichten.
Auch bei Cannabis liegt Mecklenburg Vorpommern im Durchschnitt. In Mecklenburg Vorpommern liegt mindestens Neustrelitz höher als Schwerin.
Auch bei Alkohol wurden in anderen Städten in Mecklenburg-Vorpommern höhere Werte gemessen als in Schwerin.
Schwerin ist keine „Drogenhauptstadt“
Die Behauptung von Jesus de Fernandez, dass Schwerin „Spitzenreiter im Drogenkonsum“ sei und als „Drogenhauptstadt Deutschlands“ gelten müsse, lässt sich durch die Abwasserdaten nicht belegen. In fast allen Kategorien gibt es mehrere Städte mit höheren Drogenrückständen, sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch deutschlandweit. Schwerin weist lediglich in einer Substanz (Methamphetamin) einen auffällig hohen Wert auf, liegt aber auch hier weit hinter echten Hochburgen wie Dresden oder Chemnitz.
Die pauschale Einordnung Schwerins als „Drogenhauptstadt Deutschlands“ ist somit irreführend und nicht durch Fakten gedeckt. Eine differenzierte Betrachtung ist notwendig, um die Entwicklungen des Drogenkonsums realistisch einzuordnen und sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen. Die Aussage ist also falsch. An dieser Stelle sind die erklärten Beweggründe des AfD Stadtvertreter nicht durch Fakten gedeckt. Weder der NDR Bericht, noch die Messdaten unterstützen Fernandez seine Rede.
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Hinweis:
Haben Sie Probleme mit Drogen? Zögern Sie nicht, die Drogenberatungsstelle zu kontaktieren:
Sucht- und Drogenberatungsstelle Schwerin
Mecklenburg Straße 97
19053 Schwerin, +49 385 5507568, +49 385 5213908


















