(stm) Für Schwerin sind vor wenigen Tagen neue stadtteilbezogene Statistiken für das Jahr 2024 veröffentlicht worden. Bekanntlich ist Schwerin eine der am stärksten von Segregation betroffenen Städte der Bundesrepublik Deutschlands. Die neuen Zahlen laden geradezu dzu ein, die aktuellen Daten mit denen vergangener Jahre zu vergleichen. Dazu haben wir uns auf das Jahr 2018 konzentriert und in diesem Beitrag werden wir zunächst die Kennzahlen für die gesamte Stadt thematisieren – inklusive eines Blicks auf Kinderarmut –, bevor wir einen detaillierten Vergleich zwischen dem privilegierten Stadtteil Werdervorstadt und dem sozial herausgeforderten Mueßer Holz ziehen. Wir haben uns als Vergleichsjahr für 2018 entschieden, da dort die Studie „Wie brüchig ist die soziale Architektur unserer Städte?“ (unten verlinkt) erschien und die Stadtpolitik ab dann das Thema für sich endeckte und immer wieder Maßnahmen gegen Segegration versprach. Die Kluft zwischen arm und reich zu schließen, war das Ziel. Ob das in den vergangenen Jahren gelungen ist?
Wir haben die Zahlen von 2018 und 2024 mit Blick auf zwei gegensätliche Stadtteile verglichen.
Schwerin 2018 vs 2024
In Schwerin insgesamt stieg die Einwohnerzahl von 96.780 im Jahr 2018 auf 99.687 im Jahr 2024. Auch der Anteil ausländischer Einwohner nahm deutlich zu – von 8,08 % (7.823 Personen) in 2018 auf 11,64 % (11.605 Personen) in 2024. Ein wichtiger sozialer Indikator ist die Hilfequote der nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (NEF), die häufig als Ansatz zur Berechnung für Kinderarmut herangezogen wird. In der Gesamtstadt sank der NEF-Wert von 26,09 % in 2018 auf 20,97 % in 2024, was auf den ersten Blick auf eine Verbesserung der allgemeinen sozialen Rahmenbedingungen hinzudeuten scheint. Die Zahlen zeigen aber auch, das krasse Stadtteilbezogene Unterschiede bestehen, die sich im Vergleich sogar noch deutlich verstärkt haben.
Priviligierte Werdervorstadt wird priviligierter
Die Werdervorstadt (inklusive Waisengärten), ist einer der als besonders privilegiert geltenden Stadtteile Schwerins. 2018 lebten hier rund 5.564 Menschen, in den vergangenen Jahre stieg die Einwohnerzahl auf etwa 6.953. Die Arbeitsmarktdaten in Werdervorstadt zeichnen ein positives Bild: Die Beschäftigungsquote blieb konstant hoch, während die Arbeitslosenquote mit Werten von circa 5,30 % in 2018 und rund 4,64 % in 2024 auf einem niedrigen Niveau liegt. Besonders auffällig ist der sehr geringe Anteil der nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten – ein Indikator für Kinderarmut –, der in Werdervorstadt bereits 2018 mit nur 5,04 % erfasst wurde und 2024 sogar auf lediglich 2,50 % sank. Diese Zahlen unterstreichen, dass die Werdervorstadt über alle relevanten sozialökonomischen Indikatoren hinweg zu den bestgestellten Vierteln Schwerins zählt.
Mueßer Holz – gefangen in der Abstiegspirale?
Im krassen Gegensatz dazu steht Mueßer Holz, der Stadtteil, der mit gravierenden sozialen Herausforderungen konfrontiert ist. Im Jahr 2018 zählte Mueßer Holz etwa 11.107 Einwohner, wobei rund 29 % der Bewohner ausländischer Herkunft waren – ein Anteil, der bis 2024 auf über 38 % anstieg, bei einer Eineohnerzahl von 12.346. Die Arbeitsmarktdaten in Mueßer Holz waren und sind besorgniserregend: Die Arbeitslosenquote erhöhte sich von 21,10 % in 2018 auf 25,50 % in 2024, wobei der Anteil älterer Arbeitsloser von 16,15 % auf 27,80 % sprunghaft anstieg. Hinzu kommt, dass auch die NEF-Hilfequote, welche wie gesagt auch als Indikator für Kinderarmut gilt, in Mueßer Holz – im Gegensatz zum sehr niedrigen Wert in Werdervorstadt – deutlich über dem Stadtdurchschnitt liegt. Im Jahr 2018 lag die NEF-Hilfequote in Mueßer Holz bei beunruhigenden 61,73 % – das entspacht 1.452 Personen, die auf staatliche Leistungen angewiesen waren. Zwar sank dieser Wert bis 2024 gemessen an der Gesamtzahl der Stadtteileinwohner leicht auf 51,61 %. In Realen Zahlen ist die Zahl aber nahezu unverändert geblieben. 1.414 Personen.
Vergleich zeigt soziale Spaltung und untermauert unterschiedliche Lebensrealitäten.
Der Vergleich zwischen Werdervorstadt und Mueßer Holz zeigt eindrucksvoll, wie unterschiedlich die Lebensrealitäten innerhalb einer segregierten Stadt ausfallen können. Während Werdervorstadt durch ein stetiges Bevölkerungswachstum, stabile Arbeitsmarktdaten und eine nahezu vernachlässigbare Armutsqoute besticht, kämpft Mueßer Holz mit einer rapide wachsenden Zahl von ausländischen Einwohnern, steigenden Arbeitslosenraten und einer deutlich höheren Belastung durch Armut. Diese Ungleichheiten machen deutlich, das Schwerin vor der Herausforderung steht, ein umfassendes, integratives Konzept zu entwickeln – eines, das den unterschiedlichen Bedürfnissen der Stadtteile gerecht wird und langfristig zu einer Verringerung der Segregation beiträgt. Doch von einem derartigen Konzept ist in Schwerin aktuell nichts zu sehen. Stattdessen soll durch die Erweiterung der Platzkapazität der Unterkunft für Geflüchtete, die Zahl der Menschen mit Migrationsanteil Mueßer Holz weiter erhöht werden. Und die Werdervorstadt erlebt durch die zentrumsnahe Lage und Weltkultuerbe einen weiteren Aufschwung.
Die neuen stadtteilbezogenen Statistiken bieten nicht nur einen aktuellen Überblick über die sozioökonomischen Entwicklungen in Schwerin, sondern würden auch eine solide Grundlage für gezielte Maßnahmen bieten. Doch die Stadtpolitik schläft und scheint durch mehrere Maßnahmen die in den kommenden Jahren angedacht sind, die Situation eher noch verschlechtern, und die Segragtion noch weiter verstärken zu wollen.
Hier können die benannten Dokumente eingesehen und heruntergeladen werden:
Daten aus 2018:
Daten aus 2024 (Stand Februar 2025):
Und hier die 2018 erschienene Studie:


















