(stm)
Während Schwerin noch darüber streitet, ob es eine Zweckentfremdungssatzung braucht, klingelt längst die Kasse: Die Einnahmen aus der Übernachtungssteuer haben sich innerhalb weniger Jahre vervielfacht. 2020 nahm die Stadt noch gut 218.000 Euro ein, 2024 waren es bereits über 1,1 Millionen Euro. Allein bis zum 22. September 2025 waren schon rund 968.000 Euro zusammengekommen – Tendenz weiter steigend.
Was hinter diesen Zahlen steckt, lässt sich allerdings nur erahnen. Die Stadtkasse kann die Übernachtungssteuer technisch nicht nach Art der Betriebe aufschlüsseln – Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen laufen in einem Topf. Klar ist nur: Schwerin erlebt einen kräftigen Aufschwung bei Übernachtungen, und Ferienwohnungen spielen dabei eine immer größere Rolle.
Ein Blick in die Bauakten zeigt: Seit dem 1. Januar 1990 wurden 90 Bauanträge gestellt, um Wohnraum in Ferienwohnungen umzuwandeln oder neue Ferienwohnungen zu schaffen. 14 dieser Anträge stammen aus der Zeit nach der Aufnahme des Schweriner Residenzensembles ins UNESCO-Welterbe – also mitten in den besonders gefragten Innenstadtlagen.
Wie präsent Ferienwohnungen inzwischen sind, deutet auch eine einfache Auswertung einer großen Buchungsplattform vom Januar 2025 an. In der Paulsstadt tauchen 32 Inserate auf, in der Schelfstadt 21, in der Feldstadt 20, in der Werdervorstadt 13. Altstadt und Ostorf liegen im mittleren zweistelligen Bereich. Lankow, Neumühle, Zippendorf, Wickendorf und andere Stadtteile sind ebenfalls vertreten – nur mit geringeren Zahlen. Die Auswertung ist keine amtliche Statistik, aber sie zeigt: Kurzzeitvermietung konzentriert sich vor allem in den zentrumsnahen Gründerzeitquartieren und greift inzwischen bis in klassische Wohngebiete aus.
Gleichzeitig fliegt die Stadt beim Thema Ferienwohnungen weitgehend blind. Eine gesetzliche Grundlage für eine systematische Erfassung gibt es bisher nicht. Das soll sich erst mit einer EU-Verordnung ändern, die bis zum 1. Mai 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Künftig sollen Buchungsplattformen verpflichtet werden, den Kommunen ihre Daten zur Verfügung zu stellen. Die Bundesnetzagentur arbeitet dafür an einer einheitlichen digitalen Datenschnittstelle, die auch Schwerin nutzen könnte – sofern das Land das Zweckentfremdungsgesetz entsprechend anpasst.
Für die wohnungspolitische Debatte ist das ein merkwürdiger Zustand: Die Stadt profitiert finanziell von einem wachsenden Übernachtungsmarkt, weiß aber kaum, wie viele Wohnungen dem regulären Mietmarkt durch Feriennutzung entzogen werden. Befürworter einer strengen Zweckentfremdungssatzung sehen in den Zahlen vor allem ein Warnsignal: boomender Tourismus in sensiblen innenstadtnahen Lagen, steigende Steuereinnahmen – und ein angespannter Wohnungsmarkt, in dem bezahlbare Mietangebote fehlen. Gegner verweisen darauf, dass Ferienwohnungen auch Investitionen, Gäste und Kaufkraft bringen und pauschale Verbote Eigentümer treffen könnten, die nur gelegentlich vermieten.
Fest steht: Die Übernachtungssteuer sprudelt, der Markt wächst – aber die Stadt kennt seine genaue Struktur nicht. Erst wenn die neue Datenschnittstelle steht und die Plattformen belastbare Zahlen liefern müssen, wird Schwerin tatsächlich sagen können, wie groß der Ferienwohnungs-Boom ist, wer davon profitiert – und wie stark er auf den Wohnungsmarkt durchschlägt. Bis dahin bleibt es bei einem schiefen Bild: volle Kasse, aber wenig Transparenz.

















