(fab)

In Schwerin steigt die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt seit Jahren kontinuierlich an. Die letzte veröffentliche Polizeilichen Kriminalstatistik bestätigt dies eindringlich. Der Anstieg der Fälle ist unübersehbar und zeigt, dass häusliche Gewalt ein wachsendes Problem ist. Im April, spätestens im Mai wird die die Statistik für 2024 erwartet. Man wird sehen, ob bisherige Initiativen der Stadt Schwerin hier eine Wirkung entfaltet haben. Bei den sehr schleppenden Umsetzung von beschlossenen maßnahmen ist damit aber eher nicht zu rechnen. Doch wer sind die Tatverdächtigen eigentlich. http://www.schwerin.news hat sich die Zahlen mal etwas genauer angesehen:

(Das Dokument aus denen wir die Zahlen bezogen haben ist unten als pfd abrufbar)

Die Entwicklung „Häusliche Gewalt“ der letzten Jahre in Mecklenburg-Vorpommern:

JahrGesamtfälleTatverdächtigeNichtdeutsche Tatverdächtige
20161.5641.332172
20171.5561.312163
20181.6601.391190
20191.6511.392181
20201.7741.485195
20211.8121.561187
20221.9641.744267
20232.0981.801334

Deutsche und nichtdeutsche Tatverdächtige

Laut der PKS 2023 beträgt die Gesamtzahl der Tatverdächtigen bei Häuslicher Gewalt 1.801. Die Differenz zur Gesamtzahl der erfassten Fälle (2.098) kann durch Mehrfachtatverdächtige (mehrere Taten pro Tatverdächtiger Person) oder nicht identifizierte Täter erklärt werden. Innerhalb der Gruppe der Tatverdächtigen wurden 1.467 Personen als deutsche Tatverdächtige erfasst, während 334 Personen nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

Im Jahr 2023 verteilten sich die nichtdeutschen Tatverdächtigen auf verschiedene Herkunftsländer. Die größte Gruppe stellten Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit dar, von denen 64 Personen als Tatverdächtige registriert wurden. Es folgten 47 syrische Staatsangehörige, 41 polnische Staatsangehörige sowie 31 afghanische Tatverdächtige. Auch im Jahr 2022 war ein ähnliches Muster zu beobachten. Die größten Gruppen unter den nichtdeutschen Tatverdächtigen bildeten damals 49 polnische, 43 ukrainische, 41 syrische und 14 afghanische Tatverdächtige.

71,7 % der Tatverdächtigen sind männlich, 28,3 % weiblich.

Altersstruktur der Tatverdächtigen

Die Polizeiliche Kriminalstatistik unterscheidet bei der Altersstruktur der Tatverdächtigen zwischen verschiedenen Kategorien. Kinder, die unter 14 Jahre alt sind, machten 1,9 Prozent der Tatverdächtigen aus. Jugendliche im Alter zwischen 14 und unter 18 Jahren stellten 5,8 Prozent der erfassten Personen dar. Die Gruppe der Heranwachsenden, also Personen zwischen 18 und unter 21 Jahren, war mit 3,3 Prozent vertreten. Erwachsene im Alter von 21 Jahren und älter bildeten mit 88,9 Prozent die mit Abstand größte Gruppe der Tatverdächtigen.

„Häusliche Gewalt ist keine Privatsache“ – Landesweiter Appell

Häusliche Gewalt umfasst nicht nur partnerschaftliche und ex-partnerschaftliche Gewalt, sondern auch Gewalt innerhalb der Familie, sofern die Beteiligten im selben Haushalt leben. Die Polizei registrierte 2023 in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 2.098 Fälle häuslicher Gewalt, was einer Zunahme von 6,8 Prozent im Vergleich zu 2022 entspricht. Besonders besorgniserregend ist, dass 38,8 Prozent aller aufgeklärten Taten unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Neben 1.629 Körperverletzungen gab es neun Straftaten gegen das Leben, die alle vollendet wurden.

Innenminister Christian Pegel betonte seinerzeit bereits: „Wir müssen leider annehmen, dass das Dunkelfeld wesentlich höher ist. Noch immer trauen sich viele Opfer nicht, einen Fall von häuslicher Gewalt anzuzeigen. Häusliche Gewalt ist keine Privatsache, sondern eine Straftat, die konsequent geahndet werden muss – melden Sie sich bitte, wenn Sie betroffen sind.“

Umsetzung der Istanbul-Konvention: Fehlender Fortschritt in Schwerin

Die Stadt Schwerin hat im März 2024 die Istanbul-Konvention anerkannt und sich verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt umzusetzen. Die Istanbul Konvention ist einem Bundesgesetz gleichgestellt und fordert effektive Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und Kinder zu ergreifen.

In Schwerin sollte ein „Runder Tisch“ eingerichtet werden, um einen Maßnahmenplan zu entwickeln. Die Umsetzung dieser Vorgabe gestaltet sich jedoch schwierig und langsamer als erwartet. Die Arbeitsgruppe „Schutz vor häuslicher und sexualisierter Gewalt“ tagte bislang nur ein einziges Mal. Geplante Sitzungen wurden verschoben, sodass ein zweites Treffen im Jahr 2024 nicht mehr stattfand. Der nächste Termin ist für Februar 2025 angesetzt, doch eine offizielle Einladung oder eine konkrete Agenda liegt bislang nicht vor. Zudem gibt es bisher keine konkreten Ergebnisse oder veröffentlichte Maßnahmen zur Verbesserung der Lage in Schwerin.

Frauenhäuser überlastet – Schutzmaßnahmen unzureichend

Die Situation für von Gewalt betroffene Frauen in Schwerin bleibt angespannt. Frauenhäuser sind chronisch überfüllt, sodass Schutzsuchende häufig abgewiesen werden müssen. Laut der Leiterin des Schweriner Frauenhauses gibt es jährlich über 100 Frauen, die keinen Platz erhalten können. Die finanziellen Mittel sind knapp, wodurch dringend benötigte Schutzmaßnahmen nicht ausreichend umgesetzt werden können. Während die Stadtverwaltung betont, die Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen erkannt zu haben, fehlt es bisher an wirksamen Lösungen.

Forderungen nach weiteren Maßnahmen

Trotz der getroffenen Schritte gibt es weiterhin Kritik. Sozialverbände fordern eine bessere finanzielle Ausstattung von Frauenhäusern und niedrigschwellige Beratungsangebote. Zudem wird diskutiert, ob die vorhandenen Schutzkonzepte ausreichend sind, um den steigenden Fallzahlen entgegenzuwirken. Hinter vorgehaltener Hand gibt es besipielsweise wachsende Kritik an der Schweriner Gleichstellungsbeauftragten – es wird infrage gestellt, ob sie für die Umsetzung des Konzepts fachlich geeignet oder gegebenenfalls gar überfordert ist.

Kommentar:

Die Stadt Schwerin hat in der Theorie erkannt, dass häusliche Gewalt ein wachsendes Problem ist und die Stadtpolitik hat ziemlich Konkrete Beschlüsse gefasst. Dennoch stockt die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Schwerin erheblich. Während sich die Verwaltung und Umsetzung verzögert, bleiben Frauen und Kinder oft ohne Schutz. Die Notwendigkeit schneller und effektiver Maßnahmen ist dringender denn je. Es bedarf dringend einer konsequenteren Umsetzung des Stadtvertreterbeschlusses sowie einer verbesserten finanziellen und organisatorischen Unterstützung für Frauenhäuser und Schutzräume.

(Hinweis: Trotz aller Sorgfalt, regen wir unsere leserinnen und Leser an die Daten selbst zu überprüfen. Dazu haben wir die entsprechenden Statistiken unten verlinkt. Sollte Ihnen ein statistischer Fehler auffallen kontaktieren Sie uns bitte via redaktion@schwerin.news oder direkt über die Kommentarfunktion)

Lesen Sie dazu auch:


Hier kann die polizeiliche Kriminalitätstatistik heruntergeladen und eingesehen werden (ab Seite 110):


Hilfsangebote für Betroffenen von Gewalt:

https://www.frauenhauskoordinierung.de/themenportal/istanbul-konvention

Bei sexualisierter Gewalt:

Bei Gewalt am Arbeitsplatz:

Hier kann die Istanbul Konvention eingesehen werden:

https://unwomen.de/die-istanbul-konvention/


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