(stm/Kommentar)

Manchmal entlarvt die Realität ein System schneller als jede Haushaltsdebatte. Schwerin ordnet zum Jahreswechsel 2025/26 seine Verwaltungsstruktur neu – nicht aus Lust an der Reform, sondern aus Notwendigkeit. Der Oberbürgermeister ist so gut wie weg, die Sozialdezernentin fällt weiterhin langwierig aus. Also werden Zuständigkeiten verschoben, Fachdienste neu sortiert, Verantwortung umgehängt. Und siehe da: Die Stadt funktioniert weiter.

Aus vier mach zwei. Nottebaum als XXL Dezernent

Der Dezernet Nottebaum wird über einige Monate hinweg mehr Verwaltungskontrolle haben als irgendjemand anders in der neueren Verwaltung-Stadtgeschichte der Landeshauptstadt Schwerin. Er wird nicht nur Übergangs-Oberbürgermeister sondern zusätzlich sein bestehendes Dezernat und in großen Teilen das der ewigkranken Frau Trauth und in Teilen das des scheidenden Oberbürgermeister bis zur Amtsübernahme des neuen OB im Mai/ Juni 2026 übernehmen. Eine Menge Dezernat, oder werden diese Posten deutlich überschätzt?

Nochmal ganz deutlich:

Ab Januar übernimmt Bernd Nottebaum für mehrere Monate das Amt des Oberbürgermeisters – zusätzlich zu den beiden Großdezernaten. Damit vereint eine einzige Person mehr operative, strategische und politische Macht als jemals zuvor in der Schweriner Verwaltung. Eine Stadt, die solche Strukturen zulässt, braucht sich über fehlende Kontrolle, Intransparenz oder Fehlentscheidungen nicht zu wundern.

Gerade dieser Moment zeigt, worüber in Schwerin viel zu selten offen gesprochen wird: Wir haben uns eine teure Führungsarchitektur gebaut, die in Krisen nicht stabilisiert, sondern improvisieren muss. Ausgerechnet jetzt, wo eine Dezernatsleitung über Monate ausfällt, wird sichtbar, dass die Verwaltung am Ende durch Fachlichkeit, klare Prozesse und belastbare Stellvertretungen getragen wird – nicht durch zusätzliche politische Spitzenposten.

Vierte Dezernat überflüssiger Luxus

Dass die Stadt in den letzten Jahren ein viertes Dezernat eingeführt hat, war schon damals eine Wette auf Entlastung und bessere Steuerung. Heute wirkt diese Wette wie ein Luxus, den sich eine klamme Kommune aus Gewohnheit gegönnt hat. Wenn die Aufgaben im Ernstfall ohnehin quer über die Dezernate verteilt werden, stellt sich die unangenehme Frage: Warum leisten wir uns diese Ebene überhaupt in dieser Breite?

Der neue Fachdienst Wirtschaft und Stadtmarketing wird im Dezernat III gebündelt, die Stadtentwicklung dauerhaft dorthin verschoben. Jugend wandert in ein anderes Dezernat, Soziales und Gesundheit werden vorübergehend anders angebunden. Das ist organisatorisch nachvollziehbar – aber politisch entlarvend. Denn diese Verschiebungen zeigen, dass die entscheidenden Stellschrauben nicht die Dezernatsköpfe sind, sondern die Strukturen darunter. Wer Verantwortung braucht, sind leistungsfähige Fachdienste mit klaren Zuständigkeiten, kurzen Wegen und Entscheidungsfreiheit. Wer entlastet werden muss, sind die operativen Bereiche, die im Alltag die Stadt zusammenhalten.

Die leise Pointe dieser Neuordnung lautet: Schwerin kann seine Aufgaben heute auch dann organisieren, wenn die Spitze wackelt. Das ist eine gute Nachricht für die Stadt. Aber eine schlechte für ein System, das sich gern selbst für unverzichtbar erklärt.

Vielleicht wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, den Mut aufzubringen, die Frage nicht nur organisatorisch, sondern politisch zu stellen: Wie viel Dezernatsstruktur braucht eine Stadt dieser Größe wirklich? Und wie viel davon ist schlicht Tradition, Status und teure Beruhigung?

Wer Schwerin stärken will, sollte weniger über neue Führungskästchen sprechen und mehr über robuste Vertretungsregeln, saubere Verantwortungsräume und messbare Ziele in den Fachdiensten. Nicht jede zusätzliche Spitze erzeugt bessere Steuerung. Manchmal erzeugt sie nur zusätzliche Rechnungsposten.



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