(stm/ Kommentar)
Ein Projekt, sehr viel Gegenwehr, Gutachten, die warnen – und eine Stadt, die es dennoch durchziehen will: Was steht in den Stellungnahmen, was sagen die Gutachten?
Die Stadt will am Ellerried in Krebsförden ein Höffner-Einrichtungshaus mit bis zu 30.000 Quadratmetern Verkaufsfläche planungsrechtlich möglich machen – zusätzlich zu einem kleineren Heimtextilienmarkt. Die Vorlage liegt der Stadtvertretung zur Entscheidung vor, der Hauptausschuss hat bereits empfohlen, das Verfahren abzuschließen.
Wer die Unterlagen liest, stößt auf einen roten Faden: Die Kritik aus dem Umland und aus dem Naturschutz ist zahlreich – und die Fachberichte liefern genug Munition, um das Vorhaben zumindest in Frage stellen zu müssen.
Die Gegnerinnen und Gegner verweisen erstens auf den Umgang mit Naturflächen. Der Eingriff trifft nicht nur Ruderal- und Gehölzstrukturen westlich des Bestandsmarktes; er betrifft ausdrücklich auch Habitate geschützter Arten. Der Artenschutzbericht schreibt einen Verlust von rund 0,45 Hektar Zauneidechsen-Lebensraum fest – Fortpflanzungs- und Ruhestätten inklusive. Die Lösung der Verwaltung heißt: „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“ (CEF) auf einer 0,7 Hektar großen Ersatzfläche in den Göhrener Tannen, plus Nist- und Fledermausquartiere sowie 1.200 Quadratmeter neue Hecken für Brutvögel. Genau hier setzt die Kritik an: Wer Biotope vernichtet, darf den ökologischen Zeitverzug („time lag“) nicht kleinreden – selbst das Gutachten verlangt, dass die Ausgleichsflächen vor dem Eingriff funktionsfähig sein müssen. Ob das in der Praxis gelingt, ist offen.
Umlandgemeinden befürchten Schaden
Zweitens geht es um den Schaden für den Handel im Umland. Pampow und Brüsewitz warnen vor Abzugseffekten. Die städtebauliche Wirkungsanalyse von Junker + Kruse räumt Abflüsse ein; sie hält sie zwar in Summe für „zentrenverträglich“, aber nur unter strengen Sortimentsauflagen. Für Höffner bedeutet das: maximal 2.500 Quadratmeter zentrenrelevante Randsortimente, nicht – wie ursprünglich projektiert – zehn Prozent der Gesamtfläche. Schon das Gutachten markiert diesen Punkt als konfliktträchtig. Kritikerinnen und Kritiker sagen: Es spielt am Ende keine Rolle, ob die Abflüsse in Pampow „13 oder 21 Prozent“ betragen – entscheidend ist, dass politisch bewusst ein Konkurrenzdruck erzeugt wird, der Standorte im Umland gefährden kann. Dass die Verwaltung diese Effekte als „wettbewerblich“ abtut, macht die Lage für die Betroffenen nicht besser.
BUND äußert Bedenken
Die Flächeninanspruchnahme für Stellplätze und Erschließung. Der Umweltbericht führt detailliert die Kompensationsbedarfe für Biotopverluste, Bäume und Ausgleichsmaßnahmen auf – ein Hinweis darauf, dass es eben nicht um eine simple Umnutzung bereits „versiegelter“ Bereiche geht, sondern um zusätzliche Inanspruchnahme gerade im westlichen Teil des Plangebiets. Der BUND hatte daher u. a. eine Parkpalette statt offener Großparkflächen ins Spiel gebracht; am Ende blieb davon in der Abwägung so gut wie nichts übrig. Auch das ist ein Kernargument der Gegenseite: Wenn neue Parkflächen zwingend sind, ist die Planung zu groß dimensioniert.
Die planerische Logik, die erst im Nachhinein prüft
Die Verwaltung verweist darauf, das Vorhaben sei „aus dem Flächennutzungsplan entwickelt“; formal mag das über Flächenschwellen noch gedeckt sein. Doch die 1. Änderung kippt die bisherige Logik des Bebauungsplans: Ein Sondergebiet mit bisheriger Obergrenze wird für einen Möbelriesen geöffnet, die westliche Reservefläche rückt unter die Bebauung, und die Stadt verlässt sich darauf, dass Lärm, Licht und Verkehr über Kontingente und Detailregeln beherrschbar bleiben. Kritiker nennen das „Schönwetterplanung“: Wo die Dimension wächst, wachsen auch die Restrisiken – nicht zuletzt mit Blick auf die Nähe zu Kleingärten und die bestehende Verkehrslast an Grabenstraße und B 106. Selbst die Begründung arbeitet mit Lärmpegelbereichen IV und V, also Umfeldern mit 66–75 dB(A) im Tageszeitraum, und setzt auf Emissionskontingente, die dann im Genehmigungsverfahren nachgewiesen werden sollen. Aus Sicht der Gegner: erst bauen, später nachweisen – ein riskanter Dreh.
Schwerin setzt hier nicht auf „gute Nachbarschaft“
Pampow kritisiert, dass die Landeshauptstadt frühere Pampower Erweiterungspläne für Möbelverkaufsflächen skeptisch sah, nun aber selbst am Sieben-Seen-Center einen XXL-Standort ermöglicht. Aus Sicht der Kritiker ist das ein doppelter Maßstab. Die Verwaltung hält entgegen, der Schutz zentraler Versorgungsbereiche sei nicht berührt, weil der Pampower Möbelmarkt randlagig sei. Doch das beantwortet nicht die politische Frage: Will Schwerin den Umlandhandel schwächen, um die eigene Zentralität im Segment Möbel zu erhöhen? Genau diesen Eindruck nährt der Verweis auf die erhofften zusätzlichen Grund- und Gewerbesteuern „in Folge der Realisierung“.
Ist der Markt überhaupt notwendig?
Bleibt die Frage nach der Notwendigkeit. Es gibt bereits großflächigen Möbeleinzelhandel in unmittelbarer Nachbarschaft; Sconto ist da, weitere Sortimente sind in der Region vorhanden. Die Wirkungsanalyse attestiert der Stadt „Spielräume“ – aber „Spielraum“ ist kein Bedarfsgutachten. Aus Sicht der Gegner ist das Vorhaben nicht nötig, erzeugt neue Verkehrs- und Flächenlasten und setzt Naturflächen und Arten einem vermeidbaren Risiko aus. Dass zentrale Versorgungsbereiche „voraussichtlich nicht kippen“, ist ein Minimalbefund – kein Entwicklungskonzept.
Das politische Timing tut sein Übriges: Die Ausschüsse haben – teils mit Gegenstimmen – zugestimmt, die Stadtvertretung soll beschließen. Wer jetzt verantwortlich entscheiden will, muss die unbequemen Passagen der Gutachten und Meldungen der Umlandgemeinden ernst nehmen: Biotopverlust mit hochpräzisen Vorgaben, handelspolitische Abflüsse ins Umland, Flächen- und Parkdruck, Lärm- und Lichtkontingente am oberen Rand.
Es gibt zu viele „wenn, dann“-Bedingungen, zu viele Stellschrauben, die erst später kontrolliert werden sollen – und keinen überzeugenden Nachweis, dass Schwerin dieses Projekt wirklich braucht. Genau das bleibt der Kern der Auseinandersetzung.
Entscheiden wird die Stadtvertretung, am 10. November ab ca 17 Uhr. Die Sitzung kann unter http://www.schwerin.de/stream in Echtzeit mitverfolgt werden.















