(stm)
(Dieser Beitrag wird fortlaufend aktualisiert)
Vier Tage vor Heiligabend hat die Schweriner Polizei auf Amtshilfeersuchen eine Abschiebung durchführen wollen und dazu Räume, die zu der Petrusgemeinde in der Ziolkowskistraße gehören sollen, mit Gewalt aufgebrochen. Im Rahmen der „Maßnahmen“ kam es nach unseren Informationen zu einem Suizidversuch. (Update, die Polizei schrieb gegen 14:30 Uhr: „Bei der Durchsuchung aller Personen wurden bei der Mutter, dem 22-jährigen Sohn und der Tochter Messer versteckt am Körper gefunden. Der 22-jährige Mann hat sich gemäß der bisherigen Erkenntnissen in der Wohnung vor dem Zugriff der Polizei selbst verletzt„
Bei der Frau, die sich laut Polizei in einer „psychischen“ Ausnahmesituation befand, soll es sich um die Mutter der beiden jungen Männer handeln. Die polizeilichen Maßnahmen sollen auf Amtshilfeersuchen aus Kiel in Auftrag gegeben worden sein. Demnach handelte es sich um eine sechsköpfige Familie aus Afghanistan, darunter auch Kinder, aus der die beiden volljährigen Söhne abgeschoben werden sollten.
Weswegen das Innenministerium es genehmigt, nur 4 Tage vor Heiligabend auf einem Kirchengelände das Kirchenasyl zu brechen und unter dem Einsatz von körperlicher Gewalt, mit Rammbock und Kettensäge Abschiebungen durchführen will, haben wir beim Innenministerium angefragt. Eine Antwort steht noch aus. Inzwischen hat allerdings die Polizei auf unsere Anfrage geantwortet. An der Maßnahme seien 40 Polizeibeamte beteiligt gewesen. Aktiv wurde die Polizei aufgrund eines Amtshilfeersuchen aus Schleswig Holstein. Das Innenministerium sei nach Aussage der Pressestelle der Polizei nicht in die Maßnahmen involviert gewesen. „Amtshilfeersuchen gehen in der Regel nicht über das Innenministerium in den Dienststellen ein“.
Der Flüchtlingsrat M-V bezeichnete das Vorgehen der Polizei als „brutal“ und sieht darin eine „rote Linie überschritten“. Dieses Vorgehen habe Auswirkungen auf alle Kirchgemeinden in MV und sendet ein „erschreckendes Signal an alle Schutzsuchenden“ sowie an „Kirchengemeinden, die Zuflucht bieten“.
Was die Polizei mitteilte:
HINWEIS! WIDERSPRÜCHLICHE ANGABEN ZU ALTER UND NATIONALITÄT STAMMEN VON DER POLIZEI SELBST.
In den Polizeimeldungen dazu heißt es: „Im Zusammenhang einer geplanten Abschiebemaßnahme kommt es aktuell zu einem Polizeieinsatz in der Ziolkowskistraße in Schwerin.“
In einer Folgemeldung hieß es: „Während der geplanten Abschiebmaßnahme kam es ersten Erkenntnissen nach zu einer möglichen Gefährdungslage in einer Kirchengemeinde im Bereich Mueßer Holz in der Ziolkowskistraße. Eine weibliche Person versuche die Abschiebemaßnahmen zweier 18- und 22-jährigen irakischen Männern zu vereiteln. Die Polizei ist weiterhin vor Ort und bittet die Bevölkerung die Örtlichkeit zu meiden.“
Dass es sich bei der hier lediglich als „weibliche Person“ bezeichneten Frau um die Mutter der handelt schreibt die Polizei nicht. Auch die von Polizei genannte Nationalität ist falsch, wie es Informationen von http://www.schwerin.news zeigen.
In der letzten Meldung (Stand 11:37 Uhr) schrieb die Polizei:
„Im Rahmen des Einsatzes zur Gefährdungslage im Mueßer Holz erfolgte aufgrund einer Notsituation gegen 10:40 Uhr durch Spezialkräfte des Landeskriminalamtes M-V ein Zugriff, wodurch die Lage vor Ort unter Kontrolle gebracht wurde. Die weibliche Person, die den Einsatz der Polizei ausgelöst hatte, konnte dabei durch Spezialkräfte des Landeskriminalamtes M-V widerstandslos in Gewahrsam genommen werden. Eine männliche Person wurde in den Räumlichkeiten mit Schnittverletzungen durch Polizeikräfte angetroffen und in der Folge an den Rettungsdienst übergeben. Die weibliche Person, die sich augenscheinlich im psychischen Ausnahmezustand befindet, wird ebenfalls durch den Rettungsdienst betreut. Weitere Personen oder Einsatzkräfte wurden nicht verletzt. Der Zugriff der Spezialkräfte erfolgte mit einfacher körperlicher Gewalt ohne den Einsatz von Hilfsmitteln oder Waffen.„
(UPDATES unten im Beitrag)
Das sagen Zeugen vor Ort
Eine Zeugin beschrieb das Vorgehen der Polizei als brutal und absolut unverhältnismäßig. Die Frau sei mit mit Gewalt gegen die Wand gedrückt worden. Mit Kettensäge und Rammbock gegen eine Familie die sich in einem Schutzraum befindet vorzugehen, sei nicht verhältnismäßig. Die Familie sei im Stadtteil bekannt.
Die Familie selbst sei in der Gemeinde und im Stadtteil anerkannt. Beispielsweise sei sie im Rahmen der wöchentlichen Lebensmittelausgabe, bei der zuletzt über 600 Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden müssen, stets hilfsbereit und aktiv gewesen.

Erstmals Kirchasyl in Mecklenburg-Vorpommern gebrochen.
Der Pastor der Schweriner Petrusgemeinde Jens-Peter Drewes hat gegenüber der Lokalzeitung SVZ mitgeteilt, dass er eine derartige Maßnahme auf dem Grundstück der Kirchengemeinde „als sehr ungewöhnlich“ ansehe. Auch aus der Kommunalpolitik gibt es erste Meldungen zu dem Vorfall, so verurteilte der ASK Stadtvertreter Hoog das Vorgehen. Er wies darauf hin dass diese Maßnahme am „Internationalen Tag der Solidarität“ stattfand und „Kirchenasyl ist rechtlich nicht bindend und hat die Menschenverächter immer weniger davon abgehalten, Menschen die schon hier sind oder waren trotzdem in eine ungewisse oder gar tödliche Zukunft zu schicken..“
Auch die Initiative „Schwerin für alle“ kritisiert den erstmaligen Bruch des „Kirchasyls“: „Die Bedenkenlosigkeit, mit der das angegangen wurde, ist erschreckend. Menschen, die bei uns Schutz suchen und denen die Kirche nach strengen Regeln und niemals ohne Grund Schutz bietet, können sich hierzulande nicht mehr sicher fühlen.„
Schweriner Flüchtlingsrat sieht „rote Linie“ überschritten
„Das ist ein erschreckendes Signal an Geflüchtete, die in Deutschland Schutz suchen. Nicht einmal zu Weihnachten dürfen sie sich sicher fühlen. Dieses Signal richtet sich aber auch an Kirchengemeinden, die nun verunsichert sind, ob sie Geflüchteten weiterhin Zuflucht und Hoffnung bieten können.“ schreibt der Verein in einer Pressemitteilung. Es sei das allererste mal, dass in Mecklenburg Vorpommern die „rote Linie“ des Kirchasyl überschritten wurde. Der Flüchtlingsrat „kritisiert das Vorgehen der Behörden aufs Schärfste.“
Kommentar: Politisches Signal ist Katastrophe
Nur vier Tage vor Heiligabend mit einer unverhältnismäßigen Härte gegen ein Kirchenasyl vorzugehen ist mehr als kritisch zu betrachten. Zwar ist das Kirchasyl kein rechtliche Garantie auf Schutz, galt in Mecklenburg Vorpommern doch in den letzten Jahrzehnten als letzte Möglichkeit, dass Betroffene diese Zeit nutzen konnten um die zur Abschiebung rechtlich und anwaltlich zu prüfen. Dass Kirchenasyl anscheinend nun unter Anwendung von Gewalt von der Polizei gebrochen wird, ist nur schwer mit westlichen, christlichen Werten vereinbar. In der „Abschlussmeldung“ der Polizei heißt es nun bei einigen Familienmitgliedern seien Messer am Körper gefunden worden. Mann muss zurecht fragen, wie viel Panik dort gerade bei den Kindern ausgelöst worden sein muss, wenn eine 13 Jährige sich aus Angst mit einem Messer schützen will. Diese Aktion kann man nur als ein Desaster bezeichnen. Weswegen hier zudem die zwingende Notwendigkeit gesehen wird, eine Familie mit Gewalt auseinanderzureißen, ist auch nur schwer zu verstehen. Dass es da zu einer Eskalation kommen könnte, muss der Polizei doch bewusst gewesen sein.
Update 14:15 Uhr
Die Schweriner Polizei hat eine „Abschlussmeldung“ zu dem Vorfalle veröffentlicht.
Im Rahmen einer geplanten Abschiebemaßnahme kam es am heutigen Morgen gegen 07:45 Uhr während eines polizeilichen Einsatzes zu einer Gefährdungslage in der Ziolkowskistraße in Schwerin. Eine weibliche Person hat durch Androhung von Gewalt gegen sich und ihre Kinder versucht, die Maßnahmen zu vereiteln. Die eingesetzten Polizeikräfte konnten die Lage vor Ort beruhigen. Die angeforderten Spezialeinheiten der Landespolizei M-V wirkten weiterhin deeskalierend auf die Frau ein. Im weiteren Verlauf kam es zu einem Zugriff der Polizei aufgrund einer Notsituation in der Wohnung. Hier hielten sich sechs Personen auf, darunter die 47-jährige Mutter, der 49-jährige Vater, zwei erwachsene Söhne im Alter von 22 und 18 Jahren, sowie ein 10-jähriger Sohn und eine 13-jährige Tochter. Alle Personen besitzen nach geprüften Erkenntnissen die afghanische Staatsangehörigkeit. Die 47-jährige Mutter wurde vorläufig festgenommen, der 22-jährige Mann wurde vor Ort in medizinische Behandlung gegeben. Die weiteren Personen wurden zunächst aus der Wohnung herausbegleitet. Bei der Durchsuchung aller Personen wurden bei der Mutter, dem 22-jährigen Sohn und der Tochter Messer versteckt am Körper gefunden. Der 22-jährige Mann hat sich gemäß der bisherigen Erkenntnissen in der Wohnung vor dem Zugriff der Polizei selbst verletzt. Die 47-jährige Mutter befand sich in einem psychischen Ausnahmezustand. Beide Personen werden aktuell weiter medizinisch betreut. Gegen die 47-jährige Mutter wurden Strafverfahren wegen Bedrohung und Nötigung eingeleitet.
http://www.schwerin.news beendet die regelmäßigen Updates in diesem Beitrag an dieser Stelle. Sollte es weitere Entwicklungen in der Angelegenheit geben, werden wir diese in einem neuen Beitrag behandeln.
http://www.schwerin.news wird diesen Vorfall weiter beobachten und darüber berichten. Natürlich ohne Bezahlschranke. Wenn Sie Beiträge wie diesen und weitere auch weiterhin kostenfrei lesen wollen unterstützen Sie und gerne durch ein kostenfreies Abo:


















