Theater-Regisseur und Intendant und einer der einflussreichsten Künstler im Theater der DDR ist am vergangenen Dienstag verstorben.
Christoph Schroth studierte von 1955 bis 1959 Journalistik in Leipzig, von 1962 bis 1965 Theaterwissenschaften und im Fernstudium von 1969 bis 1974 Philosophie. 1960 wurde er Regieassistent am Maxim-Gorki-Theater. Seine erste Inszenierung war 1964 Der Abstecher von Martin Walser an der Volksbühne Berlin. Von 1966 bis 1971 arbeitete er am Landestheater in Halle (Saale), wo zwei Inszenierungen von ihm verboten wurden: die DDR-Erstaufführung von Martin Sperrs Landshuter Erzählungen und Yerma von Federico García Lorca. Danach war er bis 1974 wieder an der Volksbühne Berlin.
Besonders während seiner Zeit als Schauspieldirektor am Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin von 1974 bis 1989 bildeten seine Inszenierungen den Anlass für einen Austausch zwischen Theater und Öffentlichkeit, der über das Künstlerische hinaus weit ins Politische hineinragte. Wichtige Aufführungen waren insbesondere Franziska Linkerhand (1978) und Faust I und Faust II (1979, beide Teile an einem Abend). Sechs Stunden liefen die Faust Inszenierungen und waren bei 100 Aufführungen stets ausverkauft, viele nennen diese Marathon Aufführungen legendär.
Zu einer Besonderheit der Schweriner Theaterarbeit unter Schroths Leitung wurden die Entdeckungen. Schroth hatte das Konzept aus seiner Hallenser Theaterarbeit mitgebracht und in Schwerin weiterentwickelt. Die Entdeckungen standen jeweils unter einem thematischen Schwerpunkt und bündelten verschiedene Inszenierungen und andere szenische Formate an einem Abend. Wesentliche wirkungsästhetische Momente waren der Fest-Charakter, der an Volkstheater-Traditionen anknüpfte, und die Nähe zu den Zuschauern. Das gesamte Theater einschließlich der Probebühnen und Foyers war in die Entdeckungen einbezogen. Unter dem Namen Spektakel realisierte der Regisseur Benno Besson zur gleichen Zeit ein ähnliches Konzept an der Berliner Volksbühne. Diese Form war im Theater der DDR nicht zuletzt deshalb sehr beliebt, weil es auf diese Weise möglich war, Stücke und Aufführungen zu zeigen, die in anderen Formaten möglicherweise verboten worden wären.
Zum Menetekel für den nahen Untergang der DDR wurde der Volksliederabend Die Freie Deutsche Jugend stürmt Berlin, der innerhalb der DDR-Entdeckungen von 1988 gezeigt wurde. Schauspieler sangen sozialistische Lieder aus der Zeit des DDR-Aufbaus, über ihnen hingen ihre Jugendbildnisse. Schroth machte die Differenz zwischen dem einstmals Erhofften und dem Realzustand auf schmerzhafte und zugleich heitere Weise sichtbar. Der Liederabend wurde zu einem der größten Erfolge Schroths in Schwerin.
Von 1984 bis 1986 leitete Schroth neben seiner Tätigkeit als Schauspieldirektor auch als kommissarischer Intendant das Mecklenburgische Staatstheater. Nach seiner Zeit in Schwerin zog es ihm 1990 nach Berlin, schließlich nach Cottbus, wo er ebenfalls als Intendant arbeitete.
Bis heute wirkt der Name Christoph Schroht am Mecklenburgischen Staatstheater nach. Die aktuelle Kampagne des Theaters beruft sich auch auf sein Wirken: „Spätestens seit Christoph Schroth ist das Mecklenburgische Staatstheater ein Ort für „Entdeckungen“. Wir wollen Neues wagen und Bewährtes pflegen.“ steht dort unter dem Schlagwort „Aufbruch“ geschrieben.
Der derzeitige Generalintendant des Mecklenburgischen Staattheaters sagte: „„Mit Christoph Schroth ist einer der einflussreichsten deutschen Theaterregisseure von uns gegangen. Sein Tod gibt Anlass, ihn in Gedanken und Erinnerungen noch einmal lebendig werden zu lassen. Für unsere aktuelle Theaterarbeit hier in Schwerin, an ‚seinem‘ Haus, ist dieser Künstler ein guter Geist, der Orientierung geben kann. Christoph Schroth ist mir mit einem Satz besonders wichtig, da er die Balance zwischen Anspruch und Nähe zum Publikum so gut beschreibt. Er sagte einmal: ‚Volkstheater ist ein Theater, das sein Publikum ernst nimmt.‘ Mit bis heute innovativen Theaterformen wie den berühmten ‚Entdeckungen‘, aber auch der Öffnung seiner Theaterarbeit in die Stadt, ist Christoph Schroth immer wieder eine Inspiration. Mit ihm war das Schweriner Theater das avantgardistischste Haus der DDR, und mit ihm haben Generationen von Zuschauern ihren Anspruch an Theater entwickelt. Seither ist Schwerin eine Theaterstadt. Das ist ein Maßstab, an dem man sich messen lassen muss – und an dem man immer wieder scheitern darf. Wir trauern um einen großen Theatermann, wir bedanken uns als Schweriner für all das, was er für dieses Theater getan hat und verneigen uns tief vor ihm und dem Geist, den er in dieser Stadt zurücklässt“,
Viele Künstlerinnen und Künstler wurden durch Schroths experimentelles Theater inspiriert.
Er erhielt neben den Kunstpreis der DDR auch das Bundesverdienstkreuz der Bundesregierung.
2008 kehrte Schroth nochmal nach Schwerin zurück und führte seine damals aktuellste Inszenierung von Faust auf. Sie war natürlich wieder ausverkauft.
Er verstarb am 20.09.2022 im Alter von 80 Jahren.
Hier ein Beitrag von Deutschlandfunk Kultur zum Tod von Christoph Schroth